Die kleine Elfe und der verlorene Sternenstaub.

„Ich liebe dich“, sagt die kleine Elfe zu dem großen Bär. Der Bär gähnt. Er hat Hunger. Sie muss gehen und Beeren sammeln. Fliegen kann sie nicht. Die Elfe verlor vor vielen Jahren ihr silbernes Säckchen mit Sternenstaub. Ohne ihn flattern die Flügel nicht.

Darum ist sie eine traurige Elfe. Aber im Beerensammeln ist sie gut.

Borgen oder klauen kann sie den wertvollen Glitzer nicht. Selbst brauen auch nicht und einen Neuen finden ist undenkbar.

Weil sie das weiß, ist sie eine schwache Elfe und hat keine Kraft. Aber im Beerensammeln ist sie gut.

Tag ein Tag aus, sammelt sie Beeren und kocht daraus eine Suppe für den Bär. Sie bringt den Bär zu Bett und bürstet sein struppiges Fell. Manchmal tanzt sie für ihn. In der Luft kann sie besser tanzen. Ob er gut findet, was sie für ihn auf dem Boden macht, weiß sie nicht. Aber er gähnt für sie und das gefällt ihr.

Es ist Winter. Die anderen Elfen sind in das Sommer-Paradies geflogen.

Die Kobolde, Bären, Waldgeister und Wichtel haben sich, in ihre warmen Höhlen und Hütten verkrochen. Nur die kleine Elfe wandert durch den Wald. Sie sucht nach schrumpeligen Beeren, die unter dem kalten Schnee begraben sind. An ihren Flügel hängen Eiszapfen und ihre Lippen sind blau. Es macht keinen Spaß, aber ihr Korb ist voll.

Verfroren kehrt sie zu der Hütte ihres Bären zurück. Durch ein Fenster sieht sie die lodernden Flammen in dem Holzofen. Sie freut sich auf die Wärme und auf das Gähnen vom Bär. Vielleicht gähnt er heute zweimal? Weil sie fleißig und lange durch die Kälte marschiert ist. Den Gedanken, findet die Elfe schöner als fliegen. Sie stellt den Korb auf den Tisch und schüttelt die Eiszapfen von ihren Flügeln. Der Bär sitzt in seinem Sessel und schläft. Die kleine Elfe schleicht auf Zehenspitzen zu ihm und kitzelt ihn unter der Nase. Der Bär öffnet die Augen und sieht den Korb. Die Elfe juchzt und hüpft von einem Bein auf das andere. Der Bär aber schließt die Augen und schläft weiter. Das tut mehr weh als die Dezemberkälte und das nicht fliegen können.

In jener Nacht beschließt die kleine Elfe, den Bär für immer zu verlassen.

Sie packt ihr Köfferlein und streichelt dem Bär über den Kopf. Wecken möchte sie ihn nicht. Die Elfe hat Angst, dass er zum Abschied nicht gähnt.

Mitten in der Nacht, stapft das Fabelwesen durch den tiefen Schnee. Der Märchenwald ist im Dunkeln unheimlich und die Elfe hat Angst. Aber nicht so eine große Angst wie davor, dass der Bär nicht gähnt. Darum stapft sie weiter. Bis es dreimal hell und dreimal dunkel und wieder hell wird.

Dann hat die kleine Elfe keine Kraft mehr. Sie krabbelt unter eine Nussschale, schließt die Augen und schläft ein.

Drei Tage später wird sie von einem Wichtel geweckt. Die Elfe ist wütend. Der Kerl hat ihre Nussschale geklaut und sie kein Dach mehr über den Kopf.

Als die kleine Elfe ihn anschreien möchte, ist sie zu müde und gähnt.

Der Wichtel lacht. Er nimmt sie mit in seine Höhle und die Elfe darf bei ihm wohnen. Tag ein Tag aus, sammelt der Wichtel Beeren und kocht Suppe für die kleinen Elfe. Er bringt sie zu Bett und bürstet ihr langes Haar. Manchmal tanzt er für sie. Das sieht ulkig aus. Die Elfe würde am liebsten mittanzen, aber sie ist zu schwach und muss gähnen.

Mit der Zeit erholt sich die kleine Elfe und sammelt neue Kraft. Die braucht sie aber nicht mehr. Sie hat Gefallen am Müde sein gefunden. Der Wichtel scheint sich zu freuen, wenn sie gähnt.

Drei Winter später, an einem kalten Dezemberabend, schläft die Elfe auf ihrem Schaukelstuhl. Sie schläft immer, bis der Wichtel sie weckt. Heute kitzelt er sie unter der Nase, damit sie aufwacht. Das macht er sonst nie. Sie öffnet die Augen und sieht, wie der Wichtel auf dem Tisch tanzt. Er zappelt und wackelt noch ulkiger als sonst. In einer Hand hält er ein silbernes Säckchen. Der Wichtel hat ihren Sternenstaub gefunden. Er hüpft von einem Bein auf das andere und juchzt. Die kleine Elfe  hat aber Angst vor dem Fliegen und ist lieber müde. Schnell schließt sie die Augen und tut als ob sie schläft. Sie lauscht und hört wie der Wichtel seinen Rucksack packt. Bevor er sie für immer verlässt, streichelt er über ihr langes Haar. Als er weg ist, weint die kleine Elfe. Dann schläft sie ein.

In jener Nacht träumt sie von dem großen Bär.

Munter hüpft er über eine Blumenwiese. Tanzt mit den Bienen und sammelt Beeren im Wald.

„Warum machst du es genau wie ich?“ fragt der große Bär.

„Weil du es mich gelehrt hast.“ sagt die kleine Elfe.

Der Bär schüttelt den Kopf und tanzt mit den Bienen davon.

Drei Nächte später träumt die kleine Elfe von dem Wichtel.

„Warum hast du dein Glück bei mir gesucht?“ fragt sie ihn.

„Weil ich dich liebe.“ sagt der Wichtel.

„Kannst du dich selbst nicht glücklich machen?“ fragt die kleine Elfe.

„Wenn du es mich lehrst, versuche ich es.“ sagt der Wichtel.

„ Wie soll ich Dir etwas lehren, was mir nie einer gezeigt hat?“ fragt die kleine Elfe.

„Bring es dir selbst bei.“ sagt der Wichtel.

„Wie soll das gehen?“ fragt die Elfe.

„Ich habe deinen Sternenstaub versteckt. Geh los und finde ihn.“ antwortet der Wichtel, lacht und verschwindet.

Die Elfe bleibt eine Weile stehen. Am liebsten würde sie für den Wichtel gähnen oder für den Bär, Beeren sammeln. Aber keiner von beiden ist mehr da. Ob sie nach einem Kobold oder Waldgeist Ausschau halten soll? Die kleine Elfe schüttelt den Kopf.

Seit jener Nacht sind drei Jahre vergangen.

Manchmal glitzert oder funkelt es auf dem moosigen Boden des Märchenwaldes. Das ist die kleine Elfe. Die, die nicht fliegen kann.

Sie ist auf der Suche nach ihrem Sternenstaub. Immer wieder findet sie ein Körnchen, freut sich und funkelt vor Glück. Behutsam hebt sie das Stäubchen auf und schenkt es einem Kobold oder Waldgeist. Die freuen sich und glitzern vor Glück.

Die kleine Elfe lacht und sagt: Ich liebe mich.

 

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